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Pflege ist Herzenssache

Ein Tag im Jerichower Land und in Zerbst/Anhalt

Pflege ist Herzenssache

Fast jeden Morgen gehe ich den gleichen schmalen Plattenweg in unsere Einrichtung zur Arbeit und empfinde beim Anblick unseres Hauses Zufriedenheit - auch noch nach 15 Jahren. Sehe ich den Sechsgeschosser muss ich lächeln, denn mit seinen herausgefahrenen blauen Sonnenrollos auf den Balkonen, erinnert er mich etwas an die einschlägigen Urlaubsdomizile Spaniens in den 90ern.  Es ist kurz vor sieben: Im Eingangsbereich liegt zur Deko ein aufgeklappter alter Lederkoffer, darin Badehandtuch, Flip-Flops, Sonnenhut. An einer Tafel steht in Kreide Schweineschnitzel „Strindberg“, das Mittagsmenü in der Cafeteria. Die neuen Zeitungen liegen schon auf den Tischen und es riecht im Foyer nach Druckerschwärze. Fenster und Türen stehen zum Durchlüften im Haus weit off en. Ich schaue in den Computer: Sehe den Verlauf der vergangenen Nacht und alle anstehenden Termine.Gegen 6 Uhr hatte die Nachtschicht alle relevanten Informationen über die Bewohner an den Frühdienst weitergeben. Schwester Katrin, stellv. PDL und Wohnbereichsleitung, bereitet auf dem Wohnbereich die medizinische Versorgung vor. Der Ablauf ist auf den drei anderen Bereichen gleich. Die Pflegekräfte haben sich in den Zimmern verteilt und beginnen mit der morgendliche Grundpflege.Mittlerweile ist es 07:30 Uhr und es wird lebhafter im Haus.Sigrid S., Edeltraut K. und Elsa L. sind auf dem Weg in den großen Speisesaal zum Frühstück und decken sich den Tisch nach ihren Wünschen ein. Helga D. eine Mieterin aus dem „Betreuten Wohnen“ gesellt sich täglich dazu und sucht im Radio einen Sender mit flotter Musik. „Musik ist die Sprache, die die ganze Welt versteht“, sagt sie und so beginnen die vier Damen ihr Frühstück mit einem ausgiebigen Plausch über Gott und die Welt.Auf den Fluren der Wohnbereiche begegnen sich die Bewohner zu ersten Gesprächen. Ab 08:00 Uhr wird auch im Clubraum das Frühstück angeboten. Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee erfüllt die Räume und macht Appetit. Die Wohnbereichsmitarbeiter haben nicht nur ein schmackhaftes Frühstück vorbereitet, sondern auch die Tische ansprechend eingedeckt.  

Ein Tag im Jerichower Land und in Zerbst/Anhalt

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Das Altenhilfezentrum im Marienweg, erinnert mit seinen blauen Sonnenrollos an spanische Urlaubsdomizile in den 90ern.
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Stellvertretende Pflegedienst- und Wohnbereichsleiterin laubsdomizile in den 90ern. Katrin Kretschmann bereitet die Behandlungspflege vor.

Der Vormittag ist mit Beschäftigungsangeboten gespickt und von jedem individuell nutzbar. Das Betreuungsteam hat heute, „Tänze im Sitzen“ auf dem Plan. Es erinnert ein wenig an „Medizin nach Noten“ aus vergangenen Tagen, doch die Bewohner haben Spaß und es wird viel gelacht.

Aus der hauseigenen Küche hört man klappernde Geräusche: Dort wird geschnippelt, geraspelt, gebrutzelt und gekocht. Die Zubereitung des Mittagessens ist im vollen Gange. Mit Hausmannskost, wie Gehacktesstippe, Kartoffelbrei und saure Gurke, trifft man hier genau ins Schwarze.

Im Innenhof haben sich Gesangsfreudige gefunden und schmettern mit Gitarrenbegleitung: „Geh`n wir mal rüber zu Schmidt seiner Frau“. Um 11.30 Uhr steht schließlich das Essen auf dem Tisch. Gut gesättigt und mit reichlich kühlen Getränken versorgt, ist ein Mittagsschläfchen für fast jeden ein Muss.

Das Personal sitzt in dieser Zeit zusammen und bespricht den Pflegebedarf für die Bewohner. Ziel aller ist es, ihn so individuell wie möglich anzupassen. Die Mitarbeiter bilden sich ständig weiter: Die neuen Begutachtungsrichtlinie ab Herbst 2019 stellen eine beachtliche Herausforderung dar. Kenntnisse müssen erworben werden und das erfordert Zeit, die meist nicht da ist.

Auf unvorhersehbare Situationen zu reagieren, ist an der Tagesordnung. Plötzlicher Personalausfall, erfordert sofortiges Handelt. Auch wenn die Belastung manchmal hoch ist, entziehen sich die Kollegen nicht ihrer Verantwortung und springen in solchen Fällen ein. Man ist aufeinander angewiesen und das weiß jeder zu schätzen.

Es ist 17:30 Uhr, das Abendbrot ist fast fertig. Auf dem Herd köcheln in einen großen Topf „Wiener Würstchen“ und sofort werden alte Geschichten von ehemaligen Fleischereien aus Burg erzählt.

Es wird geschmunzelt, als man über die ständig schmutzige Schürze eines Fleischers spricht, doch wusste jeder, dass seine Wurst unvergleichlich gut war. Die „Wiener“, schmeckten mit diesen alten Erinnerungen doppelt so gut.

Nach dem Abendessen wird es ruhiger, das Personal beginnt mit den Vorbereitungen für die Nacht. Vom Spätdienst werden jetzt Hochleistungen abverlangt. Auskleiden, Toilettengänge, Waschen, Nachtwäsche anziehen, und, und, und. Es ist stets eine Gradwanderung, allen gerecht zu werden und dennoch nehmen sich die Mitarbeiter Zeit, für kleine Bettkantengespräche. Sind alle Bewohner versorgt, erfolgt die Dokumentation und das Aufräumen der Station.

Ehe man sich versieht, steht 19:30 Uhr der Nachtdienst in der Tür. Nach der Dienstübergabe geht die Versorgung weiter. Von kleinen Hilfestellungen, bis hin zu notärztlicher Versorgung ist alles möglich. Ob Hilde M. zum zehnten Mal auf die Klingel drückt oder Martin H. die Nacht zum Tag macht -das Personal zeigt Verständnis. Und gerade als sich vieles zu beruhigen scheint, steht der neue Tag in den Startlöchern. Und wieder gehe ich den schmalen Plattenweg entlang und wieder überkommt mich ein Lächeln.

Ich bin dankbar für jeden Mitarbeiter, dem die Pflege eine Herzenssache ist. Selbstlos seine Arbeit in den Dienst hilfebedürftiger Menschen zu stellen ist keine Selbstverständlichkeit, sondern eine Berufung. Meine Hochachtung gilt denen, die sich jeden Tag auf `s Neue dieser Herausforderung stellen und es nicht müde geworden sind, auch unter schwierigen Bedingungen ihren Dienst zu tun. Bei uns wird Nächstenliebe gelebt und genau das besagt der „Diakonische Gedanke“.

Simona Köhler-Lorenz – Einrichtungsleitung