Hand aufs Herz
Fit & Gesund
Von Sonja Fröhlich und Janette Beck Auf einer Landstraße in Brandenburg hat sich ein schwerer Unfall ereignet. Am Fahrbahnrand einer viel befahrenen Straße liegt ein metallicgrünes Auto auf dem Dach, blutige Hände und Köpfe ragen aus den halb geöffneten Türen. Die beiden Frauen konnten offenbar gerade noch die Türen aufreißen, sie sind eingeklemmt, wirken leblos.
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Es passiert schnell und unvermittelt: Ein Mensch wird bei einem Unfall schwer verletzt oder erleidet einen Herzstillstand. Jetzt zählt jede Minute – doch viele haben Angst, etwas falsch zu machen. Dabei ist es kinderleicht, ein Leben zu retten.
Es muss jetzt schnell gehen, deshalb sind Ersthelfer wichtig. Doch: Die herannahenden Autos halten nicht. Manch ein Fahrer bremst ab und guckt, fährt dann aber schnell weiter. Ein Motorradfahrer stoppt und versucht, Autofahrer zum Anhalten zu bewegen – erfolglos. Es scheint niemanden zu interessieren.
In diesem Fall hat die Ignoranz keine Folgen. Der Unfall war fingiert. Eine Fernsehproduktionsfirma hatte den Unfall mit Hilfe der Polizei in Brandenburg nachgestellt. Schauspieler simulierten die Verletzten im Autowrack, eine versteckte Kamera filmte die Szenen. Die Beamten wollten wissen, wie viele Menschen im Notfall Zivilcourage zeigen. Das Ergebnis war erschütternd: Neun von zehn Fahrern fuhren weiter – ohne zu helfen. Der Beitrag sorgte im vergangenen Sommer für Schlagzeilen und Entrüstung.
Zehntausende erleben Notfälle aus nächster Nähe
Dabei ist das Nichtstun im Notfall alltäglich. Zehntausende Menschen in Deutschland erleben akute Herzanfälle aus nächster Nähe, im Verkehr, an der Arbeitsstelle, im Haushalt, beim Sport oder beim Reisen. Meist passiert es schnell und unvermittelt: Ein Kind blutet nach einem Unfall, ein Erwachsener kippt einfach um, jemand erleidet einen Herzstillstand an seinem Schreibtisch. Die Umstehenden sind entsetzt – und leider meist auch wie gelähmt. Selbst wenn es um den eigenen Partner geht. Und das, obwohl Ersthelfer eine entscheidende Rolle für das Überleben der Betroffenen spielen.
12
Minuten beträgt in Sachsen-Anhalt laut Rettungsdienstgesetz die Hilfsfrist. Diese kennzeichnet die Zeit vom Eingang des Notrufes in der Leitstelle bis zum Eintreffen der Rettungssanitäter am Einsatzort. (jb)
Vor allem beim akuten Herzversagen ist Untätigkeit eines der größten Probleme. Das Deutsche Reanimationsregister geht von jährlich insgesamt 75 000 Herzstillstand-Fällen aus, die sich außerhalb der Kliniken ereignen. Derzeit werden davon 5000 Menschen erfolgreich reanimiert.
Ersthelfer könnten jährlich bis zu 10 000 Leben retten
„Wenn die Rettungskette von A bis Z optimal greifen würde, könnten wir auf 15 000 Überlebende kommen. Das heißt, wir könnten tatsächlich unsere Überlebensrate für diese Patienten in etwa verdreifachen“, sagt Prof. Jan-Thorsten Gräsner. Der Arzt ist Direktor des Instituts für Rettungs- und Notfallmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel und Koordinator des Deutschen Reanimationsregisters.
"Ängste sind unbegründet: Als Ersthelfer vor Ort kann man nichts verkehrt machen. Es ist nur ein Fehler, nichts zu tun.“
Andreas Krebs, Landesbereitschaftsleiter des DRK Sachsen-Anhalt und ausgebildeter Notfallsanitäter
Bei den meisten ist der Erste-Hilfe-Kurs lange her
Krebs, der Medizin-Pädagogik studiert hat, ist der gleichen Meinung: „Ich würde es als sehr sinnvoll erachten, wenn das Thema ,Erste Hilfe‘ im Unterricht behandelt und Basiswissen sowie praktische Übungen schon im Grundschulalter vermittelt werden.“
Rund 970 Schüler im Land beteiligen sich am Schulsanitätsdienst des Jugendrotkreuz. Mit gutem Beispiel gehe u. a. das Käthe-Kollwitz-Gymnasium in Halberstadt voran. In einer Arbeitsgemeinschaft werden hier Schulsanitäter ausgebildet. Die Schüler haben laut Andrea Trautmann, die die AG seit fünf Jahren leitet, Freude am Erlernen der Ersten Hilfe. „Durch ständiges Üben werden Ängste und Bedenken gegenüber der Ersten Hilfe abgebaut.“ Regelmäßiges Trainieren sei wichtig, um im Notfall fit zu sein. „Durch diese Tätigkeit wird das Selbstbewusstsein des Einzelnen gestärkt.“
Bei den meisten Deutschen hingegen ist der Erste-Hilfe-Kurs so lange her wie der Führerscheinkurs. Beinahe jeder Achte in Deutschland hat sogar noch nie an einem Erste-Hilfe-Kurs teilgenommen. Das geht aus einer Umfrage des Patientenmagazins „Hausarzt“ im vergangenen Jahr hervor. Krebs rät, das Ganze aufzufrischen. „Es gibt sehr viele Angebote durch das DRK, Krankenkassen oder etwa Sportverbänden.“ Ein Kurs (neun Stunden) koste in Sachsen-Anhalt zwischen 30 und 35 Euro. Das sei eine geringe Investition im Vergleich zum Mehrwert, im Notfall ein Menschenleben retten zu können, meint der Experte.
In zehn Jahren Rettungsdienst habe er die Erfahrung gemacht: Augenzeugen rufen in der Stresssituation zwar den Rettungsdienst, denken aber: Die machen das schon. Das sei in vielen Fällen auch so, „aber das gilt eben nicht beim Herzstillstand. Da zählt wirklich jede Minute.“ Viele hätten einfach nur Angst, etwas verkehrt zu machen. Doch diese Angst sei unbegründet, so der Experte: „Als Ersthelfer vor Ort kann man nichts falsch machen. Es wäre nur ein Fehler, nichts zu tun.“ Mal ganz abgesehen davon, dass jeder gesetzlich dazu verpflichtet ist, bei einem Unfall oder einem akuten Verletzungsfall vor Ort Erste Hilfe zu leisten. Alles andere ist unterlassene Hilfeleistung, die eine Bestrafung nach sich ziehen kann. „Im Zweifelsfall sollte sich jeder vor Augen führen, dass es einen selber oder jemanden aus der Familie treffen könnte“, rät der DRK-Landesbereitschaftsleiter.
Er verweist zudem darauf, dass nach einer europäischen Richtlinie seit 2015 die Notrufdisponenten die Pflicht haben, Ersthelfer bei einer Reanimation anzuleiten: „Wird also die 112 angerufen, sitzt in der Leitstelle eine dafür ausgebildete Person, die genaue Anweisungen gibt, wie eine Reanimation vorzunehmen ist.“ Eine Maßnahme mit Erfolg, wie Krebs weiß: In Deutschland haben seitdem 10 Prozent mehr Ersthelfer Wiederbelebungsmaßnahmen vorgenommen.
Wiederbelebung – so geht sie
So einfach ist das: Der Helfer muss einen Handballen auf die Mitte des Brustbeins des Patienten legen, die andere Hand darüber, Arme durchstrecken und dann fünf bis sechs Zentimeter nach unten drücken. 100- bis 120- mal pro Minute, und das so lange, bis der Rettungsdienst eintrifft.
Um im richtigen Rhythmus zu drücken, hilft Musik. Es gibt weit bekannte Lieder, die genau den richtigen Beat haben. Dazu gehören „Stayin’ Alive“ von den Bee Gees, „Atemlos“ von Helene Fischer, „Yellow Submarine“ von den Beatles, „Dancing Queen“ von Abba oder „Highway to Hell“ von AC/DC.
Die Beatmung durch Mund oder Nase ist zweitrangig. Generell gilt die Anleitung: zwei Beatmungen folgen auf 30-mal Drücken.
Die Sorge, dass man zu stark auf den Brustkorb drücken könnte, ist wirklich unbegründet: Im schlimmsten Fall kann eine Rippe beim Drücken brechen. Diese wiederum verheilt mit geringen Schmerzen. Wer gar nicht erst drückt, riskiert am Ende den Tod des Patienten. Also, keine Angst! Los geht‘s!
Erste Hilfe bei Kindern
Stürze, Verbrennungen oder Vergiftungen sind im Alltag mit Kindern leider keine Seltenheit. Besser man weiß, was im Notfall zu tun ist.
Blutende Wunden sollten immer mit einem Verband abgedeckt werden.
Sollte sich ein Kind vergiftet haben und zeigt es Übelkeit und Schläfrigkeit, hilft nur der Notruf 112. Der Mund des Kindes muss gereinigt werden. Getränke ohne Kohlensäure sind angeraten. Die jeweilige Substanz sollten Eltern mit in die Klinik bringen. Hat das Kind etwas geschluckt, das nur eventuell giftig ist, zeigt es aber noch keine Symptome, können Eltern sich beim Giftinformationszentrum Rat holen – etwa in Erfurt unter Telefon (03 61) 730730 (auch für Sachsen-Anhalt zuständig).
Ein Sturz auf den Kopf passiert schnell – in diesem Fall ist ein genauer Blick der Eltern gefragt: Sind die Pupillen gleich groß? Antwortet das Kind auf Fragen wie „Wo ist Mama?“ ganz normal? Wirkt das Kind abwesend? In jedem Fall sollte ein Arzt hinzugerufen werden. Blutende Wunden, egal ob am Kopf oder am Rest des Körpers, sollten immer mit einem sauberen Verband abgedeckt werden. Auch mit Verbrennungen muss man im Alltag mit Kindern rechnen – etwa beim Griff auf die heiße Herdplatte oder an den Grillrost. Für Eltern gilt: Die Wunde sollte auf keinen Fall mit einer Salbe oder Mehl versorgt werden. Kühles, fließendes Leitungswasser reicht. Zu kaltes Wasser kann weitere Verletzungen der Haut zur Folge haben. Großflächige Verbrennungen können in nasse, saubere Handtücher eingewickelt werden, bis der Rettungsdienst vor Ort ist. Wie bei allen Schocksituationen bei Kindern gilt: ruhig mit dem Kind sprechen, vertraute Dinge zeigen, Atmung und Puls im Blick behalten und das Kind auf keinen Fall einschlafen lassen.
Aus der Praxis
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Essen Sie sich gesund
Pseudogetreide pikant genießen
Weiter geht’s mit dem Wohlfühlessen: An Tag vier treffen Sattmacher wie Möhren und Kartoffeln auf den Alleskönner Buchweizen.
Gesund und schlank durch den Tag – dieser Pillekuchen liefert reichlich sättigendes Eiweiß und versteckt gleichzeitig eine Portion Gemüse. Plus: Die vorgegarten, abgekühlten Kartoffeln bilden resistente Stärken aus und sind dadurch noch gesünder. Sie wirken ähnlich wie Ballaststoffe, werden erst durch Bakterien im Dickdarm abgebaut. Dadurch vermitteln die Kartoffeln zwar ein Sättigungsgefühl, doch ein Großteil wird unverdaut wieder ausgeschieden. Ein nussiges Müsli hilft zuvor beim Start in den Tag – besonders das Pseudogetreide Buchweizen ergänzt sich toll mit Nüssen. Buchweizen ist glutenfrei und enthält viel Eiweiß, man kann ihn rösten und auf Salate streuen, zu Brei kochen oder als Risotto genießen. Es lohnt sich also, ihn mal zu probieren!
Ihr Tagesplan
Morgens gibt es ein nussiges Müsli: Buchweizen eignet sich dafür besonders gut. Der Pillekuchen macht am Mittag mit reichlich Kartoffeln und Gemüse satt. Abends gibt es Brotzeit mit Gemüsesticks und Quark.
Morgens: Müsli aus 2 EL Buchweizen (oder: Getreideflocken, wie Hafer, Dinkel oder Hirse), 1 EL gehackten Nüssen in 100 ml Milch oder Buttermilch (siehe mittags) quellen lassen. Währenddessen frisches Obst (zum Beispiel eine Birne oder einen Apfel) grob raspeln. Nach Wunsch mit einer gehackten Dattel süßen.
Mittags: Für den Pillekuchen gegarte Kartoffeln (vom Vortag) halbieren und in Scheiben schneiden. Karotten schälen und raspeln. Frühlingszwiebeln in Ringe schneiden. Drei Eier in einer Schüssel mit Mehl, Salz und Buttermilch zu einem Teig verrühren. Geraspelte Karotten und Frühlingszwiebeln unterheben. 1 EL Öl in der Pfanne erhitzen und mit einem Viertel der Kartoffeln auslegen. Danach ein Viertel des Teiges über die Kartoffeln gießen. Etwa fünf Minuten auf niedrigster Stufe braten, bis der Pillekuchen braun wird. Den Pillekuchen wenden und weitere fünf Minuten knusprig braun braten. Im Backofen warm stellen. Aus der restlichen Menge drei weitere Pillekuchen zubereiten.
Tipp: Direkt eine Möhre mehr raspeln und mit 100 g Magerquark, 1 EL Rapsöl und 2 EL Orangensaft mischen, mit Salz und Pfeffer abschmecken und zum Pillekuchen reichen.
Abends: Ein Vollkornbrot mit 1 EL Frischkäse, eine Scheibe Putenbrust oder Käse. Dazu ein Mix aus etwa 200 g Gewürzgurken, Tomaten, Paprika oder Gurke mit 100 g Kräuterquark (oder siehe Tipp Rezept Mittag) zum Dippen.
Zutaten Pillekuchen
Zutaten für vier Portionen
400 g gegarte Pellkartoffeln
2 Möhren, geraspelt
1 – 2 Frühlingszwiebeln
1 EL grüne Kräuter
100 g Dinkelmehl (Type 1050)
2 Eier
180 ml Buttermilch
4 EL Öl zum Braten
100 g Feta
Salz
Rezept aus: Dagmar von Cramm: „Familie in Form vegetarisch“, Stiftung Warentest.