Magdeburg ANZEIGE

Gelenk-Prothesen sind Vertrauenssache

Fit & Gesund

Gelenk-Prothesen sind Vertrauenssache

Herr Richter, wann sollten Patienten über einen Gelenkersatz für Knie oder Hüfte nachdenken?Aus Patientensicht sind es drei Kriterien: Der Nachtschmerz, der Anlaufschmerz und der Belastungsschmerz – das heißt: Bin ich im Alltag schmerzfrei bei einer Strecke unter 1000 Metern? Aus ärztlicher Sicht sind drei Dinge von Bedeutung: Die Beschwerden des Patienten, die Untersuchung und das Röntgenbild. Aber: Der Patient entscheidet immer selbständig. Wir Ärzte geben eine Empfehlung, keinen Befehl ab. In der Orthopädie gibt es selten ein Muss. Es geht darum, Lebensqualität zu erhalten oder wiederzuerlangen. Da ist es dann auch egal, wie alt ein Patient ist. Aber natürlich sollte Eingriffe so spät wie möglich erfolgen und auch erst dann, wenn alle konservativen Therapien versagt haben.Wie sieht eine konservative Behandlung bei Gelenkbeschwerden bei Ihnen aus?Sie stützt sich auf drei Säulen: Medikamentierung – zum Beispiel entzündungshemmende Wirkstoffe, Physiotherapie oder Kniegelenksinjektionen. Die Erkenntnis, was das Richtige ist, muss bei dem Patienten selbst reifen. Frei nach dem Motto: Ich will – und nicht: Ich muss.

Fit & Gesund

##publishingDate##

Gelenk-Prothesen sind Vertrauenssache-2
Foto: Getty Images / Istockphoto

Bei Gelenkerkrankungen können ein „neues Knie“ oder eine „neue Hüfte“ die Lösung sein. Manchmal wird aber auch vorschnell operiert. Im Zweifelsfall sollten Patienten eine zweite Meinung einholen.

Gelenk-Prothesen sind Vertrauenssache-3

500 Hüft- und Kniegelenke werden im Universitätsklinikum Halle jedes Jahr neu eingesetzt beziehungsweise ältere, künstliche Endoprothesen ersetzt. (jb)

Welche alternativen Heilverfahren bei Arthrose gibt es?

Einige. Man kann alles ausprobieren, was in die schmerzlindernde- und entzündungshemmende Richtung geht: Akupunktur, Hyaluronsäure-Therapie, aber auch die Hausmittel wie Quarkumschläge oder Kohlblätter können es sein. Doch eines muss klar sein: Arthrose ist nicht reversibel. Da spielst du mit allem, was du tust, auf Zeit. Bis der Zeitraum vom Befund bis zur Operation von sieben Jahren bedeuten. Rein statistisch gesehen, erleben die meisten den operativen Eingriff trotzem aller Maßnahmen dann doch irgendwann.

Es heißt dennoch, es wird zu oft und zu früh operiert. Wie halten Sie es?

Ich bin eher ein Arzt alter Schule. Ich finde, man sollte sich mit einem Eingriff Zeit lassen und zunächst mit konservativen Methoden therapieren. Aber es gibt natürlich auch Patienten, da ist der Befund einfach so, dass ich bei erfüllten Kriterien sofort zu einer Operation rate.

Welche Risiken birgt so eine Gelenks-Operation?

Erst einmal ist da die volle Bandbreite, die ein operativer Eingriff ohnehin mit sich bringt: Thrombose, Embolie, Wundheilungsstörungen, schlechte Narbenheilung, Infekte. Bei einem Einbau von Prothesen kann es zudem zu Frakturen kommen, das verzögert den Heilungsverlauf. Ein Problem beim Einbau einer Hüftgelenks-Prothese ist auch, dass der Schaft bricht – eine seltene Komplikation. Ebenso kommen Beinlängendifferenzen nach einer OP vor. Bei allen Kunstgelenken muss man zudem wissen, dass es eine begrenzte Haltbarkeit gibt. Im Schnitt hält ein künstliches Kniegelenk zehn bis 15 Jahre. Ich sage immer: Ungefähr drei von Hundert Patienten sind nach einer OP nicht zufrieden, 100 Prozent gibt es leider nur in der Mathematik.

Wie lange dauert es, bis ich nach dem Einsatz eines künstlichen Kniegelenks wieder in Form bin?

Das kommt darauf an, was man damit noch machen will. Der Einbauprozess dauert circa sechs bis 12 Monate. Eine Belastungsfähigkeit ist jedoch schon sofort nach der OP gegeben. Schon am ersten oder zweiten Tag nach dem Eingriff wird in der Regel das Aufstehen geübt. Es folgen Bewegungsübungen und das Gehen mit Stützen – dieses dauert sechs bis acht Wochen. Verheilt ist das Ganze in der Regel nach zwölf Wochen.

Immer wieder klagen Patienten über fehlerhafte Prothesen, weil es offensichtlich an Qualitätskontrollen mangelt. Wie kann das sein?

Das ist eine Frage des Herstellers. Und des Vertrauens. Die Kunstgelenke, die zehn bis 15 Jahre auf dem Markt sind, sind schon sehr zuverlässig. Ich denke, jedes Krankenhaus bei uns greift nur auf bewährte Modelle zurück. Ich würde vor einer OP im Zweifelsfall noch einmal genau nachfragen, mich informieren und dann für die Prothese entscheiden, die sich in der Praxis über die Jahre hinweg bewährt hat.

"In der Orthopädie gibt es selten ein Muss. Es geht in erster Linie um Lebensqualität. Der Patient entscheidet immer selbständig über einen Gelenk-Ersatz für Knie oder Hüfte. Wir Ärzte geben eine Empfehlung, keinen Befehl ab."

Thomas Richter, Facharzt für Orthopädie mit Sprechstunden in Magdeburg und Zerbst

Wie kann ich mich als Patient davor schützen, zu schnell unter das Messer zu kommen?

Eine Zweitmeinung einholen. Jeder Patient hat das Recht dazu. Ich würde einen erfahrenen Orthopäden zu Rate ziehen.

Sie sind nicht beleidigt, wenn ein Patient Ihnen offeriert, dass er vorsichtshalber noch jemand anderen auf sein Knie schauen lassen will?

Nein, die Größe sollte man haben. Ich selbst schicke meine Patienten zu einem Kollegen, wenn ich mir nicht sicher bin. Und die freie Arztwahl hat jeder. Das ist sein Recht. Das Ganze setzt einfach Vertrauen voraus. Ich muss als Patient das Gefühl haben, dass in der operierenden Einrichtung keine wirtschaftlichen Interessen im Vordergrund stehen.

Wenn ich mich nicht entscheiden kann – kann es irgendwann zu spät für einen Gelenkersatz sein?

Eigentlich nicht. Die OP-Möglichkeiten sind heutzutage so weit, dass selten etwas dagegen spricht. Nur bei einer Ankylose, also einer vollständigen Gelenksteife, sind die operativen Methoden zumeist ausgeschöpft. Man muss in zunehmendem Alter aber natürlich auch auf die Begleiterkrankungen achten und dem damit steigenden OP-Risiko Rechnung tragen.

Und wie finde ich eine gute Klinik?

Der behandelnde Arzt spricht in der Regel eine Empfehlung aus, wohin man sich wenden kann. Information ist dennoch ratsam. Ich würde mir die Kliniken anschauen und im Internet recherchieren, wie viele Operationen sie im Jahr dort durchführen. Die Krankenhäuser haben die Pflicht, die Zahlen zu veröffentlichen. Man kann im Gespräch vor Ort auch den Operateur nach seinen Erfahrungen mit dieser OP-Art befragen.

Welche gelenkschonenden Sportarten nach einer Operation empfehlen Sie?

Fahrradfahren, Schwimmen – da mehr die Beinschlagbewegungen als das Brustschwimmen - Nordic Walking und Fitnesstraining. Joggen dagegen erhöht die Belastung der Kunstgelenke. Auch Tanzen sorgt für Bewegung, und es macht dazu auch noch Spaß. Das Verkehrteste nach einer OP ist, sich nicht zu bewegen. Die Muskeln erschlaffen extrem schnell. Ich rate zu moderatem Ausdauertraining in Verbindung mit einem gezielten, dosierten Fitnesstraining aller Muskelgruppen. Generell gilt: Man muss geduldig sein, alles braucht seine Zeit. Interview: Janette Beck

Immer mehr künstliche Kniegelenke

In Deutschland werden einer Studie zufolge immer mehr künstliche Kniegelenke eingesetzt – auch bei Patienten unter 60 Jahren. Zwischen 2013 und 2016 nahm die Zahl der Operationen um gut 18 Prozent auf 169 000 Fälle zu, wie die Bertelsmann-Stiftung im Juni 2018 mitteilte. Die Zahlen hat die Fachredaktion Science Media Center (SMC) in Köln aus Daten des Statistischen Bundesamts errechnet. „Erklärbar ist dieser Trend weder durch medizinische noch durch demografische oder geografische Einflussfaktoren“, hieß es. Unter den Patienten, denen eine Kniegelenk-Prothese eingesetzt wurde, waren 2016 rund 33 000 Menschen jünger als 60 Jahre. Ein Zuwachs von 23 Prozent im Vergleich zu 2013 – und um 31 Prozent gemessen an 2009.

Vom Berufsverband der Deutschen Chirurgen (BDC) hieß es dazu, maßgebend sei der Wunsch des Patienten, der zunehmend anspruchsvoll sei und Fortschritt profitieren wolle. Brigitte Mohn vom Bertelsmann-Stiftungsvorstand kritisierte, vor allem der Blick auf die noch jüngeren Patienten werfe die Frage auf, „ob die Operationen wirklich medizinisch indiziert sind“.

Was bei Blockaden im Rücken hilft

Mit ein paar Tricks verschwinden Schmerzen und Bewegungseinschränkungen meist von selbst.

Gelenk-Prothesen sind Vertrauenssache-4
Bei Blockaden im Rücken ist Wärme sinnvoll – weil sie die Muskulatur entspannt. Foto: Fotolia

„Ich habe eine Blockade“: Fast jeder hat diesen Satz schon mal gehört und vielleicht auch selbst schon die unangenehme Erfahrung gemacht. Das Gute ist aber: Der Körper regelt das Problem in den meisten Fällen von selbst.

Wenn jemand von „Blockade“ spricht, handelt es sich eigentlich um eine Bewegungseinschränkung einzelner Wirbelkörpergelenke, sagt Orthopädin Christin Siebert aus dem Athleticum am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). Diese winzigen Gelenke halten die Wirbelsäule in Bewegung. Sie können zum Beispiel kippen oder sich drehen oder sogar beides. Geht das nicht mehr richtig, sendet der Körper Schmerzsignale. Die umliegenden Muskeln, Bänder und Sehnen bekommen gewissermaßen den Befehl: „Haltet das gut fest, da stimmt was nicht.“ Die Folge sind verhärtete Strukturen um das Gelenk herum und noch mehr Schmerz.

Diesen Teufelskreis gilt es nun zu durchbrechen. Wärme entspannt, Bewegung lockert. Außerdem kann es hilfreich sein, mit einer Schmerztablette das Schmerzgedächtnis zu löschen und die Muskulatur zu entspannen, sagt Siebert. „Damit der Körper wieder weiß: Eigentlich ist alles in Ordnung.“

3 Mal 45 Minuten Bewegung pro Woche ist für Kniearthrose-Patienten ideal.

Aus der Praxis

Jeder kann erste Hilfe leisten

Dr. Falk Stirkat ist Notfall- und Allgemeinmediziner in Erlangen
Dr. Falk Stirkat ist Notfall- und Allgemeinmediziner in Erlangen
Unser Herz benötigt Sauerstoff, um zu schlagen. Ablagerungen aus Fett oder Kalk sorgen dafür, dass Gefäße verengen oder versteifen. Dadurch funktioniert die Blutversorgung des Herzmuskels nicht mehr reibungslos. Durch Anstrengung oder Aufregung können Herzschmerzen, Enge in der Brust und Kurzatmigkeit entstehen. Bei Blockade eines Gefäßes droht ein Herzinfarkt. Sobald ein akuter Verschluss eines Herzkranzgefäßes auftritt und das Gefäß nicht sofort aufgemacht wird, kommt es zum Infarkt. Der Herzmuskel stirbt ab, und das Herz kann nicht mehr ausreichend Blut pumpen.

Dauern die Schmerzen länger als fünf Minuten im Brustbereich und strahlen eventuell in Brust oder Arme aus, ist das ein erstes Zeichen. Manchmal können die Schmerzen bis in den Oberbauch oder die Beine ausstrahlen. Dazu kommt oft ein Engegefühl oder ein Brennen in der Brust. Oft haben die Betroffenen Schweißperlen auf der Stirn, eine fahle Haut und verspüren Übelkeit und Erbrechen. Wichtig ist es, einen Herzinfarkt früh zu erkennen. Erste Hilfe ist gefragt. Doch viele Menschen haben Angst, etwas falsch zu machen. In jedem Fall sollte der Notarzt verständigt werden. Doch was können Sie bis zum Eintreffen tun? Ist die Person noch bei Bewusstsein, sollte sie so liegen, dass der Oberkörper erhöht ist. Öffnen Sie enge Kleidung.

Wichtig ist, Aufregung zu vermeiden. Beruhigen Sie den Patienten und bleiben Sie bei ihm, bis der Krankenwagen da ist. Es ist immer besser zu helfen, als untätig zu bleiben. Um sicherzugehen, sollte man in einem Erste-Hilfe-Kurs sein Wissen auffrischen. Es kann Leben retten.

Blogger und Autor des Bestsellers „Ich kam, sah und intubierte“. Er entwickelte den Podcast „DocPod – der Podcast, der Leben retten kann“ (www.nordbayern.de).

Forschung

Weniger Schlaf, mehr Schmerzen

Schlafmangel stört die Schmerzverarbeitung im Gehirn und macht Menschen empfänglicher für Schmerzen. Das berichten US-Forscher im Fachmagazin „Journal of Neuroscience“. Die Zunahme chronischer Schmerzen in einer zunehmend schlaflosen Gesellschaft könnten zwei Entwicklungen sein, die eng miteinander verknüpft sind. Das Team von der University of California in Berkeley (USA) hatte den Zusammenhang an 25 jungen Menschen untersucht.

Essen Sie sich gesund

Die belebende Powersuppe

Dank Curry und Ingwer heizt der thailändische Gemüse-Nudel-Topf ordentlich ein und gibt Kraft für den Rest des Tages.

Gelenk-Prothesen sind Vertrauenssache-5
Foto: Stiftung Warentest

Gelenk-Prothesen sind Vertrauenssache-6

Zutaten Nudeltopf

Zutaten für zwei Personen
120 g Reisbandnudeln
250 g grüne Bohnen
1 Bund Frühlingszwiebeln
200 g Rinderfilet
1 Stück Ingwer
1 EL grüne Currypaste
helle Sojasauce
150 ml Kokosmilch
300 ml Gemüse- oder Kraftbrühe

Rezept aus: Dagmar von Cramm: „Power-Suppen“, Stiftung Warentest-Verlag.

Zur Person

Gelenk-Prothesen sind Vertrauenssache Image 4
Thomas Richter ist seit 2005 als Facharzt für Orthopädie tätig. Der 52-Jährige hat in Magdeburg studiert und war lange Zeit in Vogelsang im Einsatz. Bis 2016 praktizierte der Magdeburger in Zerbst, vor zwei Jahren eröffnete er eine Praxis in der Landeshauptstadt, dennoch gibt es auch weiter Sprechstunden in Zerbst.