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Großsteingräber in der Altmark: Relikte aus der Jungsteinzeit direkt vor der Haustür

Ich liebe meine Altmark

Großsteingräber in der Altmark: Relikte aus der Jungsteinzeit direkt vor der Haustür

Grosssteingrab in Groß Bierstedt Foto: Dieter Horn

Wer an monumentale alte Grabanlagen denkt, dem fallen zu allererst die Pyramiden in Ägypten ein. Gut, an Größe sind sie wohl bisher unerreicht, doch vom Alter her werden sie dagegen leicht überboten. Während die ersten Grabbauten, die Mastabas, schon in der 1. ägyptischen Dynastie um 3.000 vor Christus errichtet wurden, kamen die Ägypter erst ab der 3. Dynastie, so um 2.700 vor Christus, auf die Idee, Steinquader übereinander zu einer Pyramide zu stapeln. Fast 1.000 Jahre vorher, ganz sind sich die Gelehrten nicht einig, bewegten auch im heutigen Europa die Menschen riesige Gesteinsbrocken durch die Landschaft, um sie anschließend zu monumentalen Grabanlagen zusammenzufügen.Aufgrund der Größe, vermuteten unsere Vorfahren, dass sie einst von und für Riesen, oft auch als Hünen bezeichnet, errichtet wurden. Demzufolge fanden diese Grabanlagen oft als Hünengräber Zugang in unserem Wortschatz. Aber auch Hünenbett, Steingrab, Langbett, Megalithgrab oder Dolmen sind gebräuchlich. Überall in Europa kann man diese Relikte aus der Jungsteinzeit noch finden und bestaunen.Das Eis kam und verschwand – die Brocken bliebenDas Baumaterial für diese Grabstätten ist eine Erinnerung an die Eiszeit, die einmal große Teile Europas bedeckte. Nach der Erwärmung des Klimas kam es zu einem Rückgang der Gletschermassen und zurück blieben die teils monumentalen Gesteinsbrocken, fein säuberlich in vielen Bereichen Europas verteilt. Weil man sie überall finden konnte, bezeichneten die Menschen sie eben als Findlinge.

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Geschichte

Großsteingräber in der Altmark: Relikte aus der Jungsteinzeit direkt vor der Haustür-2
Großsteingrab bei Stöckheim. Foto: O. Becker

Als der Mensch für sich und die Gemeinschaft entdeckte, dass es ratsamer wäre an einem Ort zu verbleiben und dort das Gemüse und Obst zu sich in den Garten zu holen. Und auch das Viehzeug im Stall oder auf der Weide zu halten, statt ziellos durch die Landschaft zu streifen und sich nur von dem zu ernähren was Mutter Natur für ihn bereithielt.

Ja, da beschloss der Mensch der Jungsteinzeit, dem Neolithikum, endlich sesshaft zu werden. Es war eine kulturelle Revolutionsepoche. Es war das Zeitalter, das den Menschen und seine Entwicklung grundlegend beeinflusste. Und ihn zu dem machte, was er heute ist.

So wurden feste Unterkünfte für die Lebenden errichtet und auch der Toten gedachte die Gemeinschaft. In langwieriger mühevoller Schwerstarbeit wurden die monumentalen Grabstätten errichtet, die nun heute vielerorts noch die Landschaft zieren.

Zusammen in der Gemeinschaft - im Leben und nach dem Tod

Es wird vermutet, dass es sich nicht um Grabbauten für einzelne Personen handelt, sondern, dass diese für Mehrfachbestattungen über einen längeren Zeitraum hinweg vorgesehen waren. Es gab noch keine hierarchischen Sozialstrukturen. Alle Menschen waren Gleiche unter Gleichen. Und so wurden die Mitglieder einer Sippe in einer Grabanlage bestattet.

Auch bei der Errichtung dieser Anlagen war die Gemeinschaft gefragt, denn andersließ sich dieses wahrhaft zyklopische Vorhaben nicht realisieren. Die Arbeitsaufwand, der für die Errichtungen der zum Teil bis zu 50 Meter langen Grabanlagen aufgebracht werden musste, muss enorm gewesen sein. Vielleicht gerade einmal mit Seilen, Stangen und Baumstämmen ausgestattet, mussten die tonnenschweren Granitbrocken zunächst erst einmal zu ihrem Bestimmungsort geschafft werden. Dort erfolgte die Aufrichtung der Tragesteine und zum Schluss kamen der oder die Decksteine obenauf.

So hat der nördliche Deckstein des Großsteingrabes bei Stöckheim die Maße von 4,5 Meter mal 2,9 Meter, ist fast einen Meter stark und wiegt etwa 22 Tonnen.

Es handelt sich dabei um den größten erhaltenen Deckstein aller Großsteingräber in der Altmark und er befindet sich wahrscheinlich noch an der Stelle, wo ihn unsere Altvorderen einmal platzierten.

Heute, wo es für jede Arbeit ein technisches Hilfsgerät gibt, sicherlich keine große Sache mehr. Aber zu dem damaligen Zeitpunkt waren Muskelkraft und ein kleines Maß an physikalischem Verständnis vonnöten, um schiefe Ebenen und Hebel entsprechend zu nutzen, um wiederum so die eingesetzten Kräfte zu vervielfachen. Nach der Positionierung der Steinbrocken wurden die Zwischenräume mit Trockenmauern verschlossen und die gesamte Anlage mit Erde bedeckt, sodass nur noch runde oder längliche Hügel aus der Landschaft ragten.

Das einmalige kulturelle Erbe unserer Ahnen unter die Räder gebracht

Was durch der Menschen Hände errichtet wurde und Jahrtausende relativ schadlos überstanden hatte, wurde letztendlich zum großen Teil auch wieder durch diese zerstört.

Ab dem 16. Jahrhundert, infolge der Reformation und der darauf einsetzenden Aufklärung im 17. Jahrhundert, fand ein Umdenken bei den Menschen statt. Es wurde ihnen bewusst gemacht, dass nicht irgendwelche Fabelwesen oder Riesen diese Gesteinsmassen bewegt und zu einer Gesamtanlage zusammengefügt hatten, sondern ganz normale sterbliche Menschen. Die Ehrfurcht vor diesen Stätten verlor sich und die wirtschaftliche Entwicklung machte es erforderlich, dass man das Erbe unserer Vorfahren für vielerlei Baumaßnahmen zerstörte.

Harter Stein war rar in der Altmark, da es hier keinen gewachsenen Felsen gab, und aus diesem Grund für den Straßenbau äußerst willkommen. Und so wurden aus vielen großen Steinen noch sehr viel mehr kleine gefertigt, welche von nun an als Straßenbelag unter den Füßen der Menschen, den Hufen der Tiere und den Rädern der Fahrzeuge eine neue Funktion erfüllten.

Anfang des 18. Jahrhundert wurden in der Altmark noch über 200 Großsteingräber gezählt. Um 1892 waren es dagegen nur noch knapp einhundert. Nach dem 1. Weltkrieg fanden viele der Großsteine bei der Errichtung der zahlreichen Kriegerdenkmale Verwendung.

Im Jahr 2003 wollte man sich noch einmal einen Überblick hinsichtlich der Großgräbersituation verschaffen und erfasste diese ein weiteres Mal. Dabei wurden auch detaillierte Vermessungen durchgeführt. Das Ergebnis war ernüchternd, denn nach der Zählung im Jahr 1892 war nun nur noch knapp die Hälfte an Gräbern vorhanden. Insgesamt wurden 47 Großsteingräber registriert, von denen sich die meisten aber in einem bedauernswerten Zustand befinden. Auch das Umfeld machte vielen der Gräber keine große Ehre.

Die Mitglieder des „Vereins Junger Archäologen Jübar“ investierten zu dieser Zeit viele ehrenamtliche Stunden um die Großsteingräber zu säubern.

Insgesamt gibt es heute in Sachsen-Anhalt noch rund 480 Großsteingräber und in Deutschland sind rund 900 nachgewiesen. Allerdings ein Großteil nur noch in Fragmenten.

Drei Landkreise – ein Projekt. Großsteingräber-Route ist im Entstehen

Es ist ein jahrtausende Jahre alter Kulturschatz der Menschheitsgeschichte, der sich direkt vor unserer Haustür befindet. Bisher lag dieser im wahrsten Sinne des Wortes ungenutzt in der Landschaft herum. Viele der steinernen Zeugen aus einer längst vergangenen Zeit werden noch nicht einmal bemerkt, da sie tief in den altmärkischen Wäldern ruhen.

Nicht jedes Großsteingrab präsentiert sich so stolz und weithin sichtbar, wie die Stöckheimer Anlage. Dieses soll sich in Zukunft ändern, und die jungsteinzeitlichen Relikte sollen mehr in den Fokus gebracht und in das Tourismuskonzept der Altmark mit eingebunden werden. Es wäre schade, auf diesen bisher wenig genutzten Kulturschatz nicht zielgerichtet hinzuweisen, fordert Landrat Michael Ziche, hofft er doch, durch eine offensive Vermarktung ein überregionales Interesse an das steinerne Erbe unserer Ahnen zu wecken.

Bereits Anfang des Jahres hatte der Landkreis zu einem überregionalen Vernetzungstreffen geladen. Teilgenommen hatten Mitarbeiter aus dem Landkreis Stendal, dem Landkreis Börde, dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, dem Kreismuseum des Altmarkkreises und des Bördekreises, viele Gemeindebürgermeister und der Verein Junge Archäologen Altmark. Das Wissen und die Erfahrungen der letzten Jahre kamen dabei auf den Tisch, um diese bei der Umsetzung des avisierten Zieles zu verwerten.

In erster Linie gehe es darum, die Erkenntnisse in die Praxis umzusetzen, um so einige Großsteingräber in eine funktionierende langfristige Pflege und Vermarktung zu bekommen, so Amanda Hasenfusz, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Altmarkkreis Salzwedel, die die Initiative Ich liebe meine Altmark | 15 Jungsteinzeit direkt vor der Haustür zusammen mit Lothar Mittag, Leiter der Langobardenwerkstatt Zethlingen, gestartet hatte.

Langer steinerner Weg ist zu meistern

Es würde zwar ein sehr langer und steiniger Weg werden und in einem kurzen Zeitraum nicht umsetzbar sein, aber es würde sich lohnen, dieses außergewöhnliche Kulturgut für die Nachwelt zu bewahren und für die Menschen von heute wieder erlebbar machen.

Es ist vorgesehen, dreizehn besondere Großsteingräber für eine touristische Nutzung herzurichten. Dieses sind die Grabanlagen Diesdorf 1, Diesdorf 3, Molmke 1, Drebenstedt, Bornsen 2, Lüdelsen 1-6 , Stöckheim und Mehmke 2 (Fundplatzbezeichnungen).

Damit verbunden sind Pflegemaßnahmen, eine einheitliche Ausschilderung und die Schaffung von Zuwegungen. Dazu werden mit den Landwirten und den Eigentümern Gespräche geführt. Es laufen Überlegungen, wie die Großsteingräber in das gesamttouristische Konzept der Altmark effektiv integriert werden können. Eine davon wäre die Einbindung der Grabanlagen in den Altmarkrundkurs oder in ein zukünftiges zu entwickelndes Radwegenetz.

Auch die Verknüpfung einzelner Erlebnisregionen, wie das „Grüne Band“ und der „Naturpark Drömling“ mit den Großsteingräbern, liegen sie doch in deren Nähe, wäre Bestandteil der Planungen.

Denkenswert wäre auch die Ausdehnung der Touristikroute „Himmelswege“ vom südlichen Sachsen-Anhalt in den nördlichen Teil des Bundeslandes. Somit eine Achse jungsteinzeitlicher Schaffenskraft von Nebra bis Diesdorf, eben quer durch Sachsen-Anhalt, zu legen. Es würde in viele Richtungen geschaut, um so in bestehende Netzwerke einzusteigen oder gar eigene aufzubauen. Die Großsteingräber-Route eröffnet viele Möglichkeiten und steigert die Attraktivität der Altmark zusätzlich für Tages- und auch Langzeiturlauber. Oliver Becker