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Leben ohne Piks

Fit & Gesund

Leben ohne Piks

Von Irene Habich und Janette Beck  Als Theresa May im vergangenen Sommer für ein Galadinner das Weiße Haus besuchte, konnte es jeder sehen: Das ärmellose Kleid der britischen Premierministerin ließ den Blick auf ihren linken Oberarm frei, auf dem eine kleine weiße Plastikplakette haftete. May leidet unter Diabetes Typ 1, der selteneren Form der Erkrankung. Ihre Bauchspeicheldrüse produziert viel zu wenig von dem Hormon Insulin, welches normalerweise Zucker aus dem Blut in die Zellen des Körpers transportiert. Deshalb muss May sich Insulin regelmäßig spritzen – vor allem dann, wenn ihr Blutzuckerspiegel erhöht ist.Die kleine Plastikplakette ist ein hochmodernes neues Messgerät, das Diabetikern wie ihr den Alltag erleichtern soll. Auf der Unterseite befindet sich eine feine Nadel mit Sensor, die kontinuierlich den Zuckerwert in Mays Körper misst. Die Informationen werden an das Smartphone der Politikerin übermittelt, dadurch weiß sie, wann sie sich wie viel Insulin spritzen muss. Ohne den Sensor müsste sich May ständig in den Finger piksen, um Teststreifen mit Bluttropfen zu benetzen, wie das bei der herkömmlichen Blutzuckerbestimmung üblich ist.

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Weltweit leiden immer mehr Menschen an Diabetes. Bundesweit sind es bis zu sieben Millionen. Doch der Alltag mit der Krankheit lässt sich immer unkomplizierter gestalten.

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Insulinpens erleichtern die Injektion

Weltweit leiden immer mehr Menschen unter Diabetes, allein in Deutschland sind es derzeit sechs bis sieben Millionen. In Sachsen-Anhalt nahm der Anteil der Patienten mit der Hauptdiagnose Diabetes mellitus zwischen 2006 und 2016 zwar um 8,0 Prozent von 423 auf 389 je 100 000 Einwohner ab, „aber leider nehmen wir damit im Bundesvergleich nach wie vor einen negativen Spitzenplatz ein“, bedauert Dr. Katrin Schmidt, Oberärztin der Diabetologie am Klinikum Magdeburg. Vier von fünf aller an der Zuckerkrankheit Verstorbenen (53 je 100 000 Einwohner) sind auf den Typ 2 zurückzuführen. Wenn man berücksichtige, dass die Ursache für diesen Typ Diabetes vor allem die Lebensweise und die Ernährungsgewohnheiten sind, dann bedeute das im Umkehrschluss, dass zu viele Sachsen-Anhalter einen ungesunden Lebensstil haben. Gleichzeitig lässt sich der Alltag mit Diabetes immer unkomplizierter gestalten. „Neue technische Entwicklungen helfen seit einigen Jahren dabei, das Leben mit Diabetes enorm zu erleichtern“, sagt Monika Kellerer, die Professorin ist Vizepräsidentin der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG).

"Schonung ist Gift für einen Diabetiker. Bleiben Sie in Bewegung und besiegen Sie den inneren Schweinehund!"

Roland Art, Physiotherapeut am Klinikum Magdeburg

Es handelt sich um eine Volkskrankheit. Da kann man nicht einfach sagen, jeder sei selbst schuld.

Monika Kellerer, Professorin und Vizepräsidentin der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG)

Professor Hendrik Schmidt, Chef der Klinik für Diabetologie in Magdeburg-Olvenstedt, ist froh, dass es endlich Endzeitstudien zu deren Wirksamkeit gibt: „Diese belegen, dass die Medikamente zur Behandlung von Diabetes nicht nur den Blutzucker senken, sondern auch helfen, eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu vermeiden.“ Dennoch seien Bewegung und eine gesunde Ernährung „weiterhin das A und O, sowohl bei der Behandlung als auch bei der Prävention von Diabetes Typ 2“.

DDG-Vizepräsidentin Keller führt aus: „Es stehen heute viel mehr verschiedene Stoff klassen zur Verfügung, von denen manche auch die Gewichtsabnahme erleichtern können.“ Ein großer Vorteil, denn in vielen Fällen wirkt sich schon ein geringer Gewichtsverlust bei Typ-2-Diabetes positiv aus.

Diabetes-Apps helfen im Alltag

Nützlich im Alltag können auch Diabetes-Apps für das Smartphone sein. Patienten können sich damit an die Blutzuckermessung erinnern lassen, die Nährwertangaben von Lebensmitteln prüfen und die Auswirkungen ihrer Mahlzeiten auf den Blutzuckerspiegel dokumentieren.

Allerdings gibt es auf dem App-Markt kaum verlässliche Qualitätskontrollen. Bei der DDG können sich App-Hersteller deshalb seit einiger Zeit um eine Zertifi zierung ihrer App bewerben. Wenn Bedienbarkeit, Sicherheit und Technik den Ansprüchen genügen, bekommt die Anwendung das „Dia-Digital-Siegel“ verliehen. „Damit wollen wir den Patienten etwas Orientierung bieten“, sagt Matthias Kaltheuner, der mitverantwortlich für das Projekt ist. „Denn eine schlecht gemachte App kann mehr schaden als nutzen – wenn zum Beispiel Nährwertangaben und Dosierungsempfehlungen für Insulin nicht stimmen.“

Allerdings: Egal, ob per App oder mit anderer moderner Technik – nicht jeder Patient wünsche sich die absolute Kontrolle, sagt Monika Kellerer. „Es gibt Menschen, die sich ohnehin schon zu viele Gedanken machen und die das psychisch belastet, ständig ihre aktuellen Werte vor Augen zu haben.“

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Typ-2-Diabetes ist zum Teil genetisch bedingt

Wichtig sei nur, dass ein Betroffener gut über seine Krankheit Bescheid weiß und im Umgang damit geschult wird.

Während das bei Diabetes Typ 1 durchaus üblich ist, bekommen Typ-2-Diabetiker aber oft erst dann eine Schulung, wenn die Krankheit so weit fortgeschritten ist, dass auch sie sich Insulin spritzen müssen. „Das ist eine vertane Chance“, sagt Kellerer. Denn Typ- 2-Diabetes ist zwar zum Teil genetisch bedingt, wird aber auch durch Bewegungsmangel und eine ungesunde Ernährung begünstigt. Patienten können durch eine Änderung ihres Lebensstils oft großen Einfluss auf die Krankheit nehmen. „Würde man sie besser dazu beraten und motivieren – dann würde es bei vielen nie dazu kommen, dass sie Insulin brauchen“, sagt Kellerer.

Ronald Arlt, Physiotherapeut am Klinikum Magdeburg, legt den Diabetes-Patienten ans Herz: „Schonung ist Gift. Bleiben Sie in Bewegung!“ Ideal seien je dreimal die Woche 30 Minuten Ausdauer- sowie Krafttraining. Letzteres, weil durch mehr Muskelmasse mehr Zucker verstoffwechselt werden könne. So lasse sich der Blutzuckerwert um 0,6 Prozent senken. Deshalb fordert Arlt: „Sagen Sie dem inneren Schweinehund den Kampf an!“ Sein Tipp: Öfter ruhig die Treppe, statt des Fahrstuhls nehmen. Oder mal eine Straßenbahn-Haltestelle früher aussteigen und nach Hause gehen.

So geht‘s weiter

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13. Mai: Ernährung/Fasten
14. Mai: Herz-Kreislauf
15. Mai: Diabetes
16. Mai: Erste Hilfe
17. Mai: Seelische Gesundheit
18. Mai: Gelenke
20. Mai: Demenz
21. Mai: Darm
22. Mai: Zahngesundheit
23. Mai: Wechseljahre
24. Mai: Augengesundheit
25. Mai: Rücken

Falsche Ernährung wird oft gelernt

Kinder mögen das Essen, das sie in ihren Familien häufig serviert bekommen, und behalten die Gewohnheit ein Leben lang bei.

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Fast Food und Fertiggerichte kommen in Deutschland sehr häufig auf den Tisch. 
Foto: Thomas Schweighofer/Unsplash

Wissenschaftler und Mediziner beklagen seit Jahren, dass die Zahl Übergewichtiger in Deutschland stetig steigt. Fast die Hälfte der Frauen, sechs von zehn Männern und jedes siebte Kind in Deutschland sind laut Ernährungsreport 2019 übergewichtig.

Die Hauptursache dafür ist neben mangelnder Bewegung eine falsche Ernährung aus Fast Food, Fertigprodukten und Süßigkeiten. Als Grund für diese Art der Ernährung nennen die meisten Deutschen wenig Zeit und Gewohnheiten. Aber warum mögen wir, was wir mögen?

Wir lernen Geschmackspräferenzen hauptsächlich als Kinder – und behalten sie meist ein Leben lang bei. Kinder lernen das zu mögen, was sie häufig essen. Trinken Familien nur Wasser oder ungesüßten Tee, gewöhnen sich Kinder daran. Gibt es hingegen immer Limonade oder Saft, werden sie sich auch daran gewöhnen und diese Getränke noch als Erwachsene regelmäßig konsumieren.

12,4 Prozent der Sachsen-Anhalter leiden an der Zuckerkrankheit. Etwa vier Prozent der Todesfälle im Land gehen auf Diabetes zurück.

(jb)

Angeboren ist hingegen unsere Vorliebe für Süßes, weil auch die Muttermilch so schmeckt. „Da müssen Eltern früh gegensteuern, damit Kinder nicht zu viel Zucker essen“, sagt Psychologin Kathrin Ohla vom Forschungszentrum Jülich.

Salz lernen wir erst später zu mögen. Das geht dann aber oft schnell. Denn salziges, süßes und fettiges Essen löst im Gehirn eine größere Befriedigung und Glückshormone aus, sagt sie. Werden die Stoff e kombiniert, sei das Glücksgefühl sogar noch stärker. Deshalb können sich viele nicht beherrschen, wenn sie Chips oder Pralinen naschen.

„Das menschliche Geschmacksempfinden ist sehr persönlich und anpassungsfähig“, sagt Konsumverhaltensforscherin Soyoung Park vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung. Auch weniger süße Schokolade, weniger salzige Fische und fettärmere Würste können wir lecker finden. Es dauert nur etwas.

„Es ist wie beim Sport, man muss sich zuerst etwas zwingen, gesünder zu essen“, sagt Ohla. „Aber wenn man ein Produkt eine Zeit lang immer wieder isst, mag man es meist.“

Aus der Praxis

Ein besonderer Notfall

Deutsche Meisterschaft Nord 2. Liga Open 2017 - 1. WE

Dr. Laura Dalhaus Allgemeinmedizinerin in Rhede im Münsterland
Dr. Laura Dalhaus Allgemeinmedizinerin in Rhede im Münsterland
Die meisten wollen zu Hause sterben, friedlich einschlafen. Statistisch gesehen stirbt jedoch jeder Zweite in Deutschland im Krankenhaus. Diese Diskrepanz ist traurig, macht vielen Angst und hat Ursachen: Manchmal verschlechtert sich ein Zustand akut und aus Hilflosigkeit oder Angst, einen Fehler zu machen, veranlassen Hausärzte oder Angehörige, dass der Patient in ein Krankenhaus kommt. Manchmal mangelt es auch an palliativmedizinischen Möglichkeiten, um dem Patienten Schmerzen zu ersparen. Das alles sollte jedoch nicht sein. Die ärztliche Begleitung am Lebensende ist immer noch eine hausärztliche Aufgabe.

Der Patient steht bis zuletzt im Mittelpunkt

Neulich in unserer Notfallsprechstunde wurde mein Kollege zu einer Krisenintervention bei einem schwer kranken, palliativen Patienten gerufen. Er fuhr umgehend hin. Während ich durch unsere Praxis eilte und die Patienten mangels Sitzgelegenheiten auf den Fluren standen, betreute mein Kollege in Ruhe seinen bald sterbenden Patienten. Medikamente, die er ihm über eine Vene verabreichte, befreiten von Angst, Luftnot und Schmerzen. Mein Kollege blieb beim Patienten, bis er gleichmäßig atmend schlief, und kehrte erst dann zurück.

Auch die ärztliche Betreuung am Sterbebett ist eine Notfallsituation. Die Patienten in unserer Praxis haben für diese Einsätze Verständnis, obwohl sie dann lange warten müssen. Es ist ein Grundsatz der humanistischen Medizin, dass stets der Mensch im Mittelpunkt steht – bis zuletzt.

Am übernächsten Tag ist der Patient meines Kollegen friedlich eingeschlafen.

Unter www.landarzt.rocks schreibt Dr. Laura Dalhaus über ihren Praxisalltag.

Forschung

Künstliche Intelligenz hilft Kindermedizin

Forscher in China haben ein System entwickelt, das mittels künstlicher Intelligenz (KI) Diagnosen bei Krankheiten von Kindern und Jugendlichen stellt. Im Vergleichstest mit Daten aus elektronischen Gesundheitsakten schnitt das KI-System bei der Diagnose besser ab als jüngere, unerfahrene Ärzte. Ihre Studie liefere einen Nachweis, dass ein KI-System bei Daten auf der Basis natürlicher Sprache gute diagnostische Ergebnisse erzielen könne.

Essen Sie sich gesund

Mogelpackung mit Zucchini

Schnell gedreht und auf dem Tisch: „Zoodles“ mit Petersilienpesto schmecken nicht nur Vegetariern.

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Gesund und schlank durch den Tag – mit diesem Nudelgericht klappt‘s. Mit reichlich Eiweiß, gesunden Fetten und Eisen aus Kürbiskernen und Buchweizen. Das Leindotteröl ist zudem ein Lieferant für Omega-3-Fettsäuren. Die Zucchini werden mit dem Spiralschneider oder dem Schäler in dünne „Zoodles“ geschnitten, so wird das Gemüse kaum merkbar unter die Nudeln gemogelt. Getoppt mit dem Petersilienpesto, schmeckt es selbst kleinen Gemüsemuffeln. Natürlich können Sie dazu normale Spaghetti verwenden, die Buchweizen- Variante schmeckt allerdings besonders nussig-aromatisch – die sollten Sie unbedingt probieren! Gemüse-Spaghetti sind eine tolle Möglichkeit, Gemüse „unter Leute“ (oder Nudeln) zu bringen, das klappt übrigens auch wunderbar mit Möhren, Spargel oder Kohlrabi und Roter Bete. Die Knollen lassen sich in einen Spiralschneider klemmen und ebenso zu farbenfrohen, langen Kringeln schneiden.

Ihr Tagesplan

Morgens starten Sie mit reichlich gesunden Fetten in den Tag: Avocado und Kürbiskerne sind ein tolles grünes Kraftpaket auf dem Brot. Mittags sind die „Zoodles“ fix gedreht, stehen schon nach 20 Minuten auf dem Tisch und machen mit Eiern und Buchweizennudeln auch richtig satt. Abends gibt es Brotzeit.

Morgens: Eine Scheibe Vollkornbrot mit Avocado-Mus, Tomatenscheiben und nach Bedarf mit gehackten und gerösteten Kürbiskernen (siehe Mittag). Dazu einen halben Apfel oder eine halbe Birne.

Mittags: Für die Zoodles die Zucchini waschen, Enden abschneiden. Zucchini mit einem Spiralschneider in „Zoodles“ schnitzen. Spaghetti in kochendem Salzwasser knapp garen, abgießen, etwas Nudelwasser aufh eben. Kürbiskerne in einer Pfanne ohne Fett rösten, bis sie duften. Petersilie waschen, Stiele abschneiden, Blätter mit Kürbiskernen und Leindotteröl pürieren, beiseite stellen. Die Eier in kochendem Wasser etwa sechs Minuten kernweich kochen, kalt abschrecken. Die Zucchini im Rapsöl in einer großen Pfanne unter Rühren dünsten, mit Salz und Pfeffer würzen. Dann die Spaghetti zugeben und mitbraten. Pesto bis auf 2 TL unterziehen und eventuell mit etwas Nudelwasser saftig machen. Auf eine Platte türmen, Eier pellen und halbieren, je ein Klecks restliches Pesto darauf geben und auf den „Zoodles“-Berg setzen.

Abends: Zwei Scheiben Vollkornbrot mit 2 EL Frischkäse, Tomaten, Gurke und eine Scheibe Putenbrust oder andere Geflügelwurst.

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Zutaten „Zoodles“
Zutaten für zwei Portionen
140 g Zucchini
100 g Buchweizenspaghetti
Salz
50 g Kürbiskerne
1 Bund Petersilie
1 EL Leindotteröl
2 frische Eier
1 EL Rapsöl zum Braten

Rezept aus: Dagmar von Cramm: „Happy Aging“, ZS Verlag.

Starker Anstieg von Typ-2-Diabetes

Die Zahl der an Diabetes Typ 2 erkrankten Menschen in Deutschland wird nach neuen Berechnungen des Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) in Düsseldorf viel stärker ansteigen als bisher prognostiziert. Wissenschaftler gehen nun von einem Anstieg bis 2040 auf 10,7 bis 12,3 Millionen Erkrankte aus.

Bisher sei eine Zunahme auf 8,3 Millionen Typ-2-Diabetesfälle in den nächsten 20 Jahren errechnet worden. 2015 waren rund 6,9 Millionen Menschen in Deutschland am besonders verbreiteten Typ-2-Diabetes (früher: Altersdiabetes) erkrankt. Wissenschaftler des DDZ und des Robert-Koch-Instituts (RKI) in Berlin haben in einer Studie nicht nur die allgemein steigende Lebenserwartung einbezogen, sondern auch die der Diabetiker. Ihre Lebenserwartung steige aufgrund des medizinischen Fortschritts schneller als die der Nicht- Diabetiker. Ähnliches sei in anderen Ländern beobachtet worden.

Dadurch hätten die Fallzahlen exakter als bisher berechnet werden können, sagte Ralph Brinks, Leiter der Studie am DDZ.