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Das Leiden lindern

24 Stunden im Harz

Das Leiden lindern

Sicher verwahrt für die Therapie – Dipl.-Med. Jürgen Sopora holt die Cannabis-Tropfen aus dem Safe.

15:00 Uhr Ruhig ist es am Ende des Flurs der Station S2 der Helios Bördeklinik – fernab des Klinikalltags sind hier Patienten untergebracht, bei denen Heilung nicht mehr im Mittelpunkt steht. „Palliativmedizin kümmert sich um diejenigen, deren Lebenserwartung durch unheilbare Erkrankungen begrenzt ist. Bei uns bedeutet Therapieerfolg daher auch nicht, Patienten geheilt zu entlassen, sondern sie beschwerdefreier in ihr soziales Umfeld zurückzubringen“, erklärt Dipl.-Med. Jürgen Sopora. Der Leitende Oberarzt ist ein groß gewachsener Mann, der mit beruhigender Stimme spricht. Seit über 6 Jahren ist er Palliativmediziner, der Tod gehört für ihn mehr als für andere zum Alltag. „Unsere Station ist keine Sterbestation, diesen Eindruck haben viele“, erklärt der Mediziner, „doch unser Anspruch ist, Leiden zu lindern. Die Menschen, die unsere Hilfe suchen, sollen befreiter wieder nach Hause zurückkehren.“

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„Die Menschen, die unsere Hilfe suchen, sollen befreiter wieder nach Hause zurückkehren“

Die Menschen, das sind vor allem Krebspatienten, Lungen- oder Herzkranke aber auch Betroffene, die nach einem schweren Schlaganfall oder Organschaden keine Aussicht auf Heilung haben. Sie leiden unter Übelkeit, Atemnot, Schlaf- und Appetitlosigkeit, aber auch unter Angst oder Depressionen. „Es gibt daher auch nicht die eine palliativmedizinische Therapie. Jeder Patient benötigt einen ganz individuellen Therapieplan, der auf die körperlichen und seelischen Beschwerden zugeschnitten ist.“ Dafür ist jetzt Zeit: Nachmittags spricht Sopora mit seinen Patienten über die Therapie und deren Erfolg. „Keinen Hunger zu haben hat nicht nur körperliche Folgen, es ist vor allem ein seelischer Einschnitt. 

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Palliativmediziner Dipl.-Med. Jürgen Sopora
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Die besonderen Betten auf der Palliativstation erleichtern Patienten das Sitzen und Aufstehen.

Essen hat auch mit Genuss und Freude zu tun – all das bleibt Schwerkranken verwehrt, wenn wir uns hier nicht um ihre Appetitlosigkeit kümmern.“ Die Patientin, mit der er heute spricht, nimmt daher Cannabis als Therapie zu sich. Sie erkrankte an Brustkrebs, trotz Operation und mehrerer Chemotherapien ließ sich der Tumor nicht zurückdrängen und Metastasen im Körper entstanden. „Gerade Chemotherapien vermindern den Appetit. In der Klinik verabreichen wir unter ärztlicher Aufsicht Cannabis-Tropfen, die den Hunger fördern sollen.“ Seine Patientin ist zuversichtlich: „Wirklichen Hunger kenne ich nicht mehr. Auch die dauernde Müdigkeit und ständige Schmerzen lassen mich selten an Essen denken. Mit den Tropfen habe ich erstmals seit langem wieder Appetit.“ Die Beschwerden die sie schildert, kennt Dipl.-Med. Sopora gut, fast alle seiner Patienten leiden unter ihnen. „Aus dem heutigen Gespräch nehme ich noch einmal ein paar Anregungen für unser Team mit“, sagt er. Sein Team, das sind neben spezialisierten Ärzten und Pflegekräften auch Physio- und Ergotherapeuten, Psychologen sowie eine Kunsttherapeutin. „Diese multiprofessionelle Arbeitsweise ermöglicht uns auf alle Leiden der Betroffenen ideal eingehen zu können.“ Sopora nimmt sich Zeit für seine Patienten, als nächstes wartet ein älterer Mann mit einem schweren Lungenleiden auf ihn. Der Palliativmediziner wird mit ihm besprechen, ob die anhaltende Atemnot seit dem Aufenthalt in der Neindorfer Klinik besser geworden ist.